MINTiFF-Science-Event: Besuch der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung am 10.6.2010
Ein Bericht von Uli Weis und Elisabeth Karsten
Drehbuchautoren/-innen und Filmschaffende trafen sich am 10.6.2010 bei heißen Temperaturen und strahlendem Flieger-Himmel auf Einladung von MINTiFF zum Besuch der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) am Flughafen Berlin-Schönefeld. Ziel der Führungen war es, die Teilnehmer/-innen über die neuesten Entwicklungen der Luft- und Raumfahrt zu informieren und für die Verarbeitung in Drehbüchern zu inspirieren. Erfrischende Kaffeepausen und ein gutes Mittagessen, sowie angeregte Gespräche zwischen den Teilnehmern/-innen, rundeten den spannenden und exklusiven Event ab. EADS: In Zukunft leiser und umweltfreundlicher
Der Rundgang begann bei der European Aeronautic Defense and Space Company (EADS), Europas größtem Luft- und Raumfahrtkonzern. Nach einer Begrüßung durch Herrn Möllmann, den Vizepräsidenten EADS Deutschland, führte Herr Jaecker in die Grundlagen der (Weiter-)Entwicklung von Fluggeräten ein.
Bis zu 30 Jahre dauert die Entwicklung eines neuen Fluggeräts. Die Ingenieure/-innen müssen also schon zu Beginn vorausahnen, was 30 Jahren später bei Markteinführung des Flugzeugs benötigt wird. Von der Markteinführung bis zum Zeitpunkt, an dem das letzte Flugzeug dieser Baureihe außer Dienst gestellt wird, vergehen noch einmal bis zu 30 Jahren. Wir fliegen heute also teilweise in Flugzeugen, für die es schon vor 60 Jahren die ersten Vorüberlegungen gab.
Zunächst zeigte Herr Jaecker den Teilnehmern die neuesten Entwicklungen im Hubschrauberbau. Derzeitiger Schwerpunkt bei der Konstruktion ist die Lärmreduktion und die Fähigkeit in der Luft „zu stehen“. Dafür wurden spezielle, neue Rotorblätter entwickelt, die während ihrer Rotation ihre eigenen entstehenden Schallwellen brechen und so den Lärm reduzieren.

Ausführlich stellte er Forschungen vor, vom Öl als Treibstoff wegzukommen und nachwachsende Rohstoffe zu nutzen. Die EADS setzt dabei auf Treibstoff aus der Fermentierung und Raffinierung von Algen. Die Headline lautet dabei: „Erste Flüge weltweit. Mit reinem Biotreibstoff aus Algen“. Überhaupt zog sich wie ein roter Faden das Label „Grün“ durch die ganze Ausstellung: Die Hersteller bemühen sich - gingen sie doch bisher mit Rohstoffen extrem verschwenderisch um -, ihre hochtechnischen Produkten so zu konstruieren, dass sie weniger unersetzbare Rohstoffe im Bau und Betrieb verbrauchen.
Airbus: Militärtransporter A400M
Beim Gang zur nächsten Station fiel auf, wenn auch nicht überraschend, dass ein Hauptschwerpunkt der Produktion in der Luftfahrtindustrie militärischer Natur ist: Viele Soldaten aus verschiedensten Ländern schlenderten durch die Ausstellungsbereiche für militärische Fluggeräte.

Herr Goetzenleuchter informierte über den neuen Airbus-Militärtransporter A400M, der für Aufsehen gesorgt hat, weil seine Entwicklung mehrere Jahre länger dauerte als geplant und die Kosten explodierten. Weil es weltweit kein Konkurrenzprodukt gibt und damit die Nachfrage aus anderen Ländern ausgesprochen groß und entsprechend finanzkräftig ist, ist Airbus dennoch entspannt. Das neue Flugzeug zeichnet sich dadurch aus, dass es sehr langsam und niedrig fliegen kann, trotz seiner erheblichen Größe, die den Transport von z.B. zwei Panzern oder zwei Hubschraubern (mit abmontierten Rotorblättern) ermöglicht. Abgeschlossen wurde der EADS-Besuch mit dem Start eines A400M, der in extrem steilem Winkel in den Himmel aufstieg.
DLR: Grundlagenforschung für Luft- und Raumfahrt
Herr Schütz führte dann in die Forschungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein. Gezeigt wurden u.a. der Forschungsairbus A320 ATRA, ein in Europa einmaliges Flugzeug zur Erprobung neuester Technologien im Flugzeugbau, und der „Vulkanasche-Jäger“ FALCON 20E.

Der FALCON-Pilot Herr Grillenbeck stellte das Flugzeug mit seinem einzigartigen fliegenden Atmosphärenforschungslabor vor. Hiermit wurden z.B. jüngst die Konzentration der Vulkanasche des isländischen Eyjafjallajökull in der Atmosphäre gemessen. Auf Grundlage dieser Messungen wurde der Luftraum über Deutschland gesperrt bzw. wieder geöffnet. Ein anderes Forschungsgebiet der FALCON ist die Emissionsforschung: Das Flugzeug fliegt hinter anderen Flugzeugen und misst deren Abgase. Auch in der Unwetterforschung kommt dieses Flugzeug zum Einsatz, indem es - nicht ohne Risiko - von den Ausläufern bis ins Auge eines Hurrikans vordringt. Das Forschungsflugzeug der nächsten Generation wird noch erheblich leichter und wendiger sein und damit weniger Treibstoff verbrauchen. Das bedeutet, dass das Flugzeug länger und weiter fliegen kann, z.B. in Stürme auf dem offenen Meer, wie Herr Grillenbeck mit leuchtenden Augen mitteilte.
Nach dem Mittagessen wurde in der DLR-Weltraumhalle der humanoide Roboter „SpaceJustin“ vorgeführt. Der menschliche Operator auf der Erde kann über eine haptische Schnittstelle den Roboter im Weltraum oder auf einem anderen Planeten z.B. für Reparaturen an Weltraumgeräten oder zu Explorationen auf einem anderen Planeten millimetergenau steuern – eine faszinierende Vorstellung, wenn der Mensch mit seinem verlängerten Arm im Sand des Mars wühlt. Die Kommunikation zwischen steuerndem Mensch und Roboter geht in beide Richtungen. Der Mensch kommandiert die Bewegung von Armen und Händen des Roboters. Umgekehrt fühlt der Mensch die Kraft- und Bewegungsinformationen des Roboters. Mit seinen „Augen“ (Kameras) kann „SpaceJustin“ sich selbst ein dreidimensionales Bild seiner Umgebung machen und dieses seinem Operator übermitteln. Der vorgestellte Prototyp war, weil noch nicht für den Einsatz im Weltraum gedacht, aus Einzelteilen gebaut, die in gewöhnlichen Elektroläden erhältlich sind.

DLR: Computerspiele mit Realitätsgewinn
Anschließend stellte das DLR seine Technik im Bereich satellitengestützter Kriseninformation vor. Die Erde wird permanent und flächendeckend „fotografisch“ überwacht. Die Beobachtung verschiedener Parameter kann zu unterschiedlichen Zwecken erfolgen: z.B. zur Abschätzung von Flutkatastrophen, zum Küstenschutz, zur Beobachtung der Landnutzung und ihrer Konsequenzen. Bei einem Erdbeben auf Zypern wurden z.B. Informationen über zerstörte Strassen und einen Staudamm, der zu brechen drohte, gesammelt. Diese Daten werden dann als Vektoren in virtuelle Simulationen eingegeben, z.B. bei Erdbeben, Hurrikanverwüstungen und Flutkatastrophen. Die daraus folgenden Informationen helfen z.B. Rettungskräften bei der humanitären Hilfe und beim Risiko-Management eines effizienten Notfalleinsatzes. Das Ausstellungsdesign bettete die Vorführung der satellitengestützten Erdbeobachtung ein in eine Wiese aus grünem Kunstrasen, beschallt von idyllischem Vogelgezwitscher vom Band. So kollidierte auf unterhaltsame Weise simulierte Katastrophe mit simulierter Idylle.
Fraunhofer Gesellschaft: Die Angst von heute kann die Wirklichkeit von morgen sein
Zum Abschluss führten junge Forscher zweier Institute der Fraunhofer Gesellschaft ihre neusten Entwicklungen im Bereich der Airport Security Technologie vor. Herr Sieke vom Fraunhofer Institut für Materialfluß und Logistik zeigte u.a. die Sicherheitsaspekte der Ground Traffic Logistics auf. Anschließend stellten Herr Schuchert und Herr Reinert vom Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung das intelligente videogestützte Sicherheitssystem NEST und das projektierte augengesteuerte-interaktive Brillensystem iStar für personalisiertes Informationsmanagement z.B. für Wachpersonal vor. Ihr Kollege Herr Seiffer schloss die Fraunhofer-Präsentationen mit der Vorstellung eines Warnsensorik-Systems vor schultergestützten Luftabwehr-Raketen für die zivile Luftfahrt (CASAM) ab. Die CASAM-Sensorik warnt, wenn eine Person von der Schulter eine Rakete auf ein startendes Zivilflugzeuges abfeuert – eine Vorstellung, die einem bisher unbeschwert zum Flughafen kommenden Fluggast erst die Bandbreite der Gefahren des Fliegens bewusst macht.

Leben in der Luft
Beim Gang über das Ausstellungsgelände waren stets Flugvorführungen präsent, sei es, dass man Düsenjäger oder Hubschrauber bei tollkühnen Loopings beobachtete oder in den Hallen den ohrenbetäubenden Lärm aus den kraftstrotzenden, mehrer tausend PS starken Düsentriebwerken hörte.
Die Teilnehmer/-innen verließen erschöpft, aber mit im besten Sinne beflügelter Phantasie gegen 17:00 Uhr die ILA - mit einer Menge von Ideen in Containergröße und viel Stoff für Drehbücher.