MINTiFF-Science-Event:
„Mathematik in Realität und Fiktion – Wie mathematisch ist unser Leben?“
Ein Bericht von FRED R. WILLITZKAT
Fotos: Kay Herschelmann
Ich kann mich noch sehr lebhaft erinnern, wie gelangweilt ich als Schüler im Matheunterricht saß und versuchte, eine bestimmt Logik in das Wirrwarr aus Zahlen, Variablen, Bruchstrichen und Wurzelzeichen zu bringen. Es ist mir nie gelungen. Die Lehrer nannten das Formeln und wichtig. Und ich bekam regelmäßig unter dem (Bruch-) Strich ein mäßig. Zum Ausgleich verschönerte ich die üblen Seiten meiner Bücher und Hefte mit kongenialen Bleistiftzeichnungen und wurde Autor – aus Trotz der Mathematik gegenüber, sozusagen. Als ich dann endlich das Abitur in der Tasche hatte, war ich glücklich. Das nicht zuletzt, weil ich nie wieder etwas mit Mathematik zu tun haben werde. Wozu auch?! So dachte ich immer. Jedenfalls bis zum 10. Februar 2010 – einschließlich. Am 11. Februar fand im DFG-Forschungszentrum Matheon an der Technischen Universität Berlin der MINTiFF-Science-Event „Mathematik in Realität und Fiktion“ statt. Und ich war gespannt auf all die Mathematik-Nerds mit Hornbrille und Rollkragenpullover!
Vor einem ausgewählten Auditorium von Autoren/-innen, Produzenten/-innen und Redakteure/-innen schwärmte Prof. Dr. Martin Grötschel über die „Beruf(ung) Mathematiker/-in“ sein zu dürfen. Oft mit einem Augenzwinkern und immer spannend. Prof. Dr. Christof Schütte erklärte uns „Wie mathematisch unser Leben ist.“ Prof. Dr. Konrad Polthier stellte uns den „Zusammenhang zwischen der Mathematik und den virtuellen Welten“ vor. Und last but not least dozierte Prof. Dr. Günter M. Ziegler über Mathematik im Spielfilm: „Erzählte und erzählenswerte Stoffe aus Sicht des Mathematikers“.
Ein interessantes Experiment: Wir Autoren bekommen geliefert, was wir zwar wollen und brauchen, aber so nie bestellt haben: Grundlagen für Ideen und Recherche. Die Aufgabe des Autors bleibt: Diese Ideenbruchstücke in Bilder, in eine spannende Story zu verwandeln. Wie jedes Mal bei den MINTiFF-Events werde ich das Gefühl nicht los, dass dort zwei sehr verschiedene Welten zusammentreffen. Die reale Welt trifft auf die fiktive; sprich: a + b = c. Das ist klug und nicht immer ist es 1 + 1 = 2.
Diese Kost ist Grundlage unserer/s „Beruf(ung) Autor/-in“ sein zu dürfen. Wir bekommen ein Stück reales Leben, natürlich, unverfälscht – alles echt BIO sozusagen. Diese Kost müssen wir „nur“ noch verpacken. Mit diesem Vergleich finde ich die Idee von MINTiFF noch großartiger.
Die Mathematik ist schon lange Grundlage für das Filmgeschäft, nicht nur im technischen, sondern auch im dramaturgischen Bereich. Wie das in guten Spielfilmen funktioniert wurde uns anschaulich in „A BEAUTIFUL MIND“, „ANTONIAS WELT“, „ENIGMA“ oder „GOOD WILL HUNTING“ vorgemacht. Wir müssen nur immer wieder daran erinnert werden und versuchen, mit den Veränderungen Schritt zu halten.
Und außerhalb des Filmischen: Wie mathematisch ist unser Alltag? Stimmt es, dass unser Leben immer mathematischer wird? Spüren wir, begreifen wir das? Mathematik als Basis für die Krebsbekämpfung? Medikation? Hat das etwas mit Mathematik zu tun? Ohne Mathematik kein „AVATAR“? Die Antwort ist immer JA.
Und die Mathematik, eine der ältesten Wissenschaften der Welt, hat sogar noch mehr zu bieten, als die Errechnung von Präparat-Verteilungsparametern und der Laserstrahlanalyse bei der Bekämpfung von Karzinomen. Denn:
Mathematik ist leidenschaftlich: Etwa die Geschichte um Andrew Wiles, der sich sieben Jahre zurückzog, um die Taniyama-Shimura-Vermutung für semi-stabile elliptische Kurven mathematisch zu beweisen. Als er nach sieben Jahren sein Zimmer verließ und mit der Lösung an die Weltöffentlichkeit trat, wurde er als Held gefeiert. Seine Geschichte ging durch alle Medien. Zwei Monate später stellte sich heraus, dass seine Lösung falsch war. Wieder zog er sich zurück - diesmal für 2 Jahre – kam wieder und hatte die richtige Lösung: Den Großen Fermatschen Satz.
Mathematik ist nicht nur im Determinativ weiblich: Sie kann jung, selbstbewusst und äußerst attraktiv sein. Nicht jeder denkt beim Anblick von “Germany`s Next Topmodel“ Barbara Meier oder dem Topmodel Vanessa Hegelmaier an mathematisches Denken. Wer klug ist, kann nicht schön sein – reziprok sozusagen? „Vielleicht kommen einige Männer nicht mit Frauen zurecht, die hübsch aber gleichzeitig klug sind“, sagt Barbara Meier dazu.
Mathematik hält Überraschungen parat: Wendelin Werner, 1968 geboren, verbindet Film und Mathematik in überraschender Weise: Er gilt als einer der berühmtesten Mathematik-Professoren weltweit, arbeitet an der Universität Paris-Süd, erhielt die Fields-Medaille (im Fach Mathematik das Äquivalent zum Nobelpreis) und spielte als Jugendlicher im Film „DIE SPAZIERGÄNGERIN VON SANS-SOUCI“ an der Seite von Romy Schneider.
Mathematik hat mit Wundern zu tun: Das britische Mathe-Wunderkind Arran Fernandez ist 14 Jahre alt, als er seine Uni-Zulassung erhält und studieren darf. Nun hat ihm die Universität von Cambridge einen Platz angeboten. Er gilt schon jetzt als ein Jahrhundert-Talent.
Mathematik kann steinreich machen: Derzeit gibt es mehrere mathematische Probleme, für deren Lösung jeweils eine Million Dollar ausgelobt sind. Nicht, weil da jemand zuviel Geld hat, sondern weil die Lösungen dieser Probleme so immens wichtig für unsere Gesellschaft wären.
Mathematik ist dramatisch: Wolfgang Döblin, zweiter Sohn des deutschen Schriftstellers Alfred Döblin, ist ein so leidenschaftlicher Mathematiker, dass er selbst während seines Militärdienstes seine mathematischen Forschungen unvermindert fortsetzt. Seine Resultate schickt er im Februar 1940 in einem versiegelten Umschlag an die Pariser Académie des Sciences. Kurze Zeit später wird sein Regiment von deutschen Truppen aufgerieben. Er selbst nimmt sich das Leben. Nach Wolfgang Döblins Tod gerät der Umschlag in Vergessenheit. Erst in den 1980er Jahren stolpert der Wissenschaftshistoriker Bernard Bru darüber. Und erst im Jahr 2000 werden Wolfgang Döblins Verdienste auf dem Gebiet der Wahrscheinlichkeitsrechnung bekannt. Der Inhalt wird von Spezialisten als die Krönung von Döblins Schaffen und als mathematische Meisterleistung angesehen.
Mathematik ist ein wenig wie Zauberei: Persi Diaconis ist als Zauberer und berühmter US-amerikanischer Mathematiker bekannt. Sein Forschungsfeld: Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie. Mit 14 Jahren verlässt er vorzeitig die Schule, um Zauberkünstler zu werden. Zwei Jahre später wird er Profi, der eigene Tricks erfindet und unterrichtet. Nach eigenen Aussagen wechselt Persi Diaconis dann zur Mathematik, weil er das klassisches Lehrbuch der Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik von William Fellers lesen will, aber nichts davon versteht. Er nimmt Abendkurse am New York City College, macht 1971 seinen Abschluss in Mathematik, wird an der Harvard University angenommen und promoviert 1974. Von sich reden macht Persi Diaconis auch, weil er sich mit Zufallsmatrizen, Random Walks und Kartenmischungen befasst: Mindestens sieben „Shuffles“ sind nötig, um 52 Spielkarten zufällig zu verteilen. Damit nicht genug: Mit der Aufdeckung von Manipulationen in der Parapsychologie und beim professionellen „Glücksspiel“ entzaubert er Dank seines zauberhaften mathematischen Fachwissens so manchen falschen Zauberer …
Mathematik kann steinreich machen: Derzeit gibt es mehrere mathematische Probleme, für deren Lösung jeweils eine Million Dollar ausgelobt sind. Nicht, weil da jemand zuviel Geld hat, sondern weil die Lösungen dieser Probleme so immens wichtig für unsere Gesellschaft wären.
Mathematik ist dramatisch: Wolfgang Döblin, zweiter Sohn des deutschen Schriftstellers Alfred Döblin, ist ein so leidenschaftlicher Mathematiker, dass er selbst während seines Militärdienstes seine mathematischen Forschungen unvermindert fortsetzt. Seine Resultate schickt er im Februar 1940 in einem versiegelten Umschlag an die Pariser Académie des Sciences. Kurze Zeit später wird sein Regiment von deutschen Truppen aufgerieben. Er selbst nimmt sich das Leben. Nach Wolfgang Döblins Tod gerät der Umschlag in Vergessenheit. Erst in den 1980er Jahren stolpert der Wissenschaftshistoriker Bernard Bru darüber. Und erst im Jahr 2000 werden Wolfgang Döblins Verdienste auf dem Gebiet der Wahrscheinlichkeitsrechnung bekannt. Der Inhalt wird von Spezialisten als die Krönung von Döblins Schaffen und als mathematische Meisterleistung angesehen.
Mathematik ist ein wenig wie Zauberei: Persi Diaconis ist als Zauberer und berühmter US-amerikanischer Mathematiker bekannt. Sein Forschungsfeld: Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie. Mit 14 Jahren verlässt er vorzeitig die Schule, um Zauberkünstler zu werden. Zwei Jahre später wird er Profi, der eigene Tricks erfindet und unterrichtet. Nach eigenen Aussagen wechselt Persi Diaconis dann zur Mathematik, weil er das klassisches Lehrbuch der Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik von William Fellers lesen will, aber nichts davon versteht. Er nimmt Abendkurse am New York City College, macht 1971 seinen Abschluss in Mathematik, wird an der Harvard University angenommen und promoviert 1974. Von sich reden macht Persi Diaconis auch, weil er sich mit Zufallsmatrizen, Random Walks und Kartenmischungen befasst: Mindestens sieben „Shuffles“ sind nötig, um 52 Spielkarten zufällig zu verteilen. Damit nicht genug: Mit der Aufdeckung von Manipulationen in der Parapsychologie und beim professionellen „Glücksspiel“ entzaubert er Dank seines zauberhaften mathematischen Fachwissens so manchen falschen Zauberer …
Mathematik liefert eindrucksvolle Figurenprofile: Stets vorsichtiger in der Bewertung von Situationen als ihre Kollegen sind Mathematiker selten euphorisch. Kennen Sie den Witz mit den zwei Schafen? Ein Soziologe, ein Physiker und ein Mathematiker fahren über die Grenze nach Polen. Rechts neben dem Gleis grasen zwei schwarze Schafe. Sagt der Soziologe: „Alle Schafe in Polen sind schwarz.“ „Nein, nein.“ erwidert der Physiker, „In Polen gibt es mindestens zwei schwarze Schafe.“ Der Mathematiker schüttelt den Kopf: „Moment mal.“ sagt er, „In Polen gibt es zwei Schafe, die mindestens auf einer Seite schwarz sind.“
Wir Drehbuchautoren sind immer auf der Suche nach tollen Figuren, nach Stoffen aus dem Leben. Wir brauchen unsere Helden, unsere Emotionen, unsere Geschichte. Wir können nur von den Dingen schreiben, die wir kennen. Kennen tun wir nur Dinge, von denen wir gehört oder gelesen haben. Wir hören nur, wenn wir zuhören können.
Sicherlich, das Leben ist komplex und besteht aus mehr als Rechnen. Die Geschichten um Zahlen jedoch und die Menschen, die sie beherrschen (wollen), sind dramaturgische Bausteine, die als Grundstoff für unsere Geschichten allemal taugen. Die Chance sollten wir nutzen.
Nach diesem MINTiFF-Science-Event sehe ich die Welt etwas anders. Mathematischer. Überall versteckt sie sich, die Mathematik - divers, manchmal getarnt, aber allgegenwärtig.
Am Ende der Veranstaltung fällt mir auf, dass ich in meine Aufzeichnungen dieser Mathevorlesung keine kongenialen Bleistiftzeichnungen gekritzelt habe… Und wo waren eigentlich all die hornbebrillten Nerds? Das soziologische Moment in mir prescht sofort vor: Es gibt keine! Dann korrigiere ich mich schon etwas vorsichtiger: Mathematik-Nerds habe ich auf dieser Veranstaltung jedenfalls nicht gesehen. Dann lasse ich die letzten vier Stunden noch einmal Revue passieren: Es gab keine Mathematik-Nerds auf dieser Veranstaltung, die das haben erkennen lassen. Da soll noch einer sagen, ich habe nichts gelernt.
Wir Drehbuchautoren sind immer auf der Suche nach tollen Figuren, nach Stoffen aus dem Leben. Wir brauchen unsere Helden, unsere Emotionen, unsere Geschichte. Wir können nur von den Dingen schreiben, die wir kennen. Kennen tun wir nur Dinge, von denen wir gehört oder gelesen haben. Wir hören nur, wenn wir zuhören können.
Sicherlich, das Leben ist komplex und besteht aus mehr als Rechnen. Die Geschichten um Zahlen jedoch und die Menschen, die sie beherrschen (wollen), sind dramaturgische Bausteine, die als Grundstoff für unsere Geschichten allemal taugen. Die Chance sollten wir nutzen.
Nach diesem MINTiFF-Science-Event sehe ich die Welt etwas anders. Mathematischer. Überall versteckt sie sich, die Mathematik - divers, manchmal getarnt, aber allgegenwärtig.
Am Ende der Veranstaltung fällt mir auf, dass ich in meine Aufzeichnungen dieser Mathevorlesung keine kongenialen Bleistiftzeichnungen gekritzelt habe… Und wo waren eigentlich all die hornbebrillten Nerds? Das soziologische Moment in mir prescht sofort vor: Es gibt keine! Dann korrigiere ich mich schon etwas vorsichtiger: Mathematik-Nerds habe ich auf dieser Veranstaltung jedenfalls nicht gesehen. Dann lasse ich die letzten vier Stunden noch einmal Revue passieren: Es gab keine Mathematik-Nerds auf dieser Veranstaltung, die das haben erkennen lassen. Da soll noch einer sagen, ich habe nichts gelernt.
Dank der MINTiFF-Leiterin Prof. Dr. Marion Esch und den MINTiFF-Mitarbeitern Dr. Christoph Falkenroth und Carsten Schneider sowie Rudolf Kellermann, der für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Matheon verantwortlich ist. Und natürlich Dank den Dozenten: Prof. Dr. Martin Grötschel, Prof. Dr. Konrad Polthier, Prof. Dr. Christof Schütte und Prof. Dr. Günter M. Ziegler.
Sie werden von uns sehen!