MINTiFF – Impulsgeber für deutsche Filmemacher
Von Hans-Hinrich Koch, Autor und Produzent ( ndf: neue deutsche Filmgesellschaft Berlin mbH)
Wenn Filmproduzenten, Drehbuchautoren und Fernsehredakteure zusammen kommen, geschieht dies meistens auf smalltalk-lastigen Premieren-Empfängen oder den nüchternen Büroetagen des Filmbetriebs. Doch seit einigen Monaten trifft sich eine neugierige Gruppe von renommierten Filmschaffenden an den spannendsten Orten, die die europäische Spitzenforschung zu bieten hat, zu so genannten „Science-Events und -Workshops“. Gemeinsam tourt man dann von den streng gesicherten Pforten herausragender Forschungseinrichtungen zu den Grenzbereichen menschlichen Wissens.
Es liegt nahe, was Filmschaffende suchen, wenn sie sich von echten Astronauten, Kernforschern und Klimaexperten durch unbekannte (Arbeits- und Lebens-)Welten führen lassen. Es ist die besondere Inspiration, die entsteht, wenn sich Welten berühren, die unterschiedlicher nicht sein können – die Wirklichkeit und die Fiktion.
Dass Filmemacher die Chance bekommen, z.B. die heiligen Hallen des ESA-Astronautenzentrums in Köln, den Fusionsforschungsreaktor in Garching oder die Institute des Klimaforschungszentrums Potsdam zu erkunden, ermöglicht die Initiative MINTiFF. Unter dem Motto „Science meets Fiction“ hat man sich zum Ziel gesetzt, in Kooperation mit der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft und der TU Berlin deutsche Spielfilmentwickler für naturwissenschaftliche Themen und Berufe zu begeistern. Denn man hat erkannt, dass fiktionale Filmproduktionen in besondere Weise geeignet sind, junge Menschen (und vor allem - so hofft man - auch Frauen) zu wissenschaftlichen Berufskarrieren zu inspirieren.
Doch bevor Filmemacher mit inspirierenden Geschichten junge Zuschauer für das Abenteuer Wissenschaft begeistern können, müssen zunächst die Autoren, Produzenten und Redakteure selbst für diese viel zu unbekannte Welt begeistert werden. Und das scheint zu gelingen. Das „Begeisterungsprogramm“ des engagierten und filmbranchen-erfahrenen MINTiFF-Teams, bestehend aus Prof. Dr. Marion Esch, Dr. Christoph Falkenroth, Carsten Schneider und Jennifer Grosche, wartet mit einem Programm-Superlativ nach dem anderen auf und schafft es, dass sich regelmäßig renommierte Autoren, Redaktionschefs und Produzenten zu den Exkursionen einfinden - trotz chronischer Zeitknappheit und teils weiter Anreisen.
Die symbiotische Kreativpartnerschaft funktioniert auch deshalb, weil sie weit über die wissenschaftliche Fachberatung - die übrigens auch außerhalb der Science-Events jederzeit verfügbar ist - hinausgeht. Jede MINTiFF-Exkursion dient so nicht nur vertiefter Autorenrecherche, sondern eröffnet Produzenten und Redakteuren ganz neue Blickwinkel auf die relevantesten Themen unserer gegenwärtigen und zukünftigen Gesellschaft. Sicher haben auch die fotogenen „Locations“ der Forschungseinrichtungen ihren besonderen Reiz. Aber für emotionale und erzählenswerte Geschichten sind Filmemacher vor allem auf der Suche nach authentischen und dramatischen Figurenkonflikten. Da inspiriert dann auch die simple Erkenntnis, dass Spitzenforschung von ziemlich normalen Menschen betrieben wird, die mit dem gesamten Spektrum (zwischen)menschlicher Probleme zu kämpfen haben. In Kombination mit ihren außergewöhnlichen und oft pionierhaften Herausforderungen jedoch werden Protagonisten erkennbar, die ganz besonders erzählenswerte Geschichten versprechen.
In jedem Fall liefern die MINTiFF-Science-Events und -Workshops mehr spannende Filmideen, als es Programmplätze gibt. Man kann somit nur hoffen, dass es den Filmemachern gelingt, die wertvollen Impulse in überzeugende Geschichten umzusetzen. Geschichten, die zwar den Sehgewohnheiten der Zuschauer gerecht werden müssen, aber darüber hinaus hoffentlich auch jene ansteckende „Faszination des Unerwartbaren“ bieten, die auch die Spitzenforschung charakterisiert. Dafür braucht es vielleicht auch den Mut, genremäßig neue Wege zu gehen. Aber wenn es gelingt, entstehen nicht nur innovative Filme, sondern sicher auch jene Seherlebnisse, die jungen Menschen zeigen, dass es durchaus faszinierende Berufsalternativen zum „Top-Model“ oder „Superstar“ gibt.